Als eines der letzten deutschen Bundesländer hat Baden-Württemberg am 5. Februar 2010 die Schutzgebiete gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie unter gesetzlichen Schutz gestellt. Als Form der Unterschutzstellung hat Baden-Württemberg die Sammelverordnung gewählt. Eine andere denkbare Variante wäre zum Beispiel die Ausweisung jedes einzelnen Gebiets als Naturschutzgebiet oder als Landschaftsschutzgebiet gewesen.
Baden-Württemberg hat sich für die Variante der Sammelverordnung entschieden, weil die separate Ausweisung jedes einzelnen Gebiets einen sehr hohen Verwaltungsaufwand erfordert hätte. Auch wären bei dieser Variante noch einmal Jahre ins Land gegangen, bis der gesetzliche Schutz für jedes der 90 Gebiete unter Dach und Fach gewesen wäre. Ein weiterer Grund für die Sammelverordnung war, dass man so schnell wie möglich von den sogenannten faktischen Vogelschutzgebieten wegkommen wollte. Ein Vogelschutzgebiet gilt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs solange als faktisches Vogelschutzgebiet, solange der gesetzliche Schutz noch nicht vorhanden ist. In einem faktischen Vogelschutzgebiet dürfen jedoch im Gegensatz zu einem gesetzlich geschützten Vogelschutzgebiet überhaupt keine Veränderungen vorgenommen werden. In einem gesetzlich geschützten Vogelschutzgebiet dagegen können im Ausnahmefall Veränderungen vorgenommen werden, wenn dies im dringenden öffentlichen Interesse liegt. Somit stecken hinter der Wahl der Unterschutzstellungsvariante keineswegs nur hehre Naturschutzziele. Vielmehr wollte man so schnell wie möglich in der Lage sein, bestimmte Infrastrukturvorhaben in Vogelschutzgebieten umsetzen zu können.
Die 90 ausgewiesenen Vogelschutzgebiete bedecken eine Fläche von ca. 390.000 Hektar, knapp 11 Prozent der Fläche des Bundeslands.
Das größte Vogelschutzgebiet ist "Südwestalb und Oberes Donautal" mit 43.031 Hektar. Dieses Gebiet umfasst einerseits die höchsten Erhebungen der Schwäbischen Alb und andererseits den Durchbruch der Donau durch die Juratafel der Schwäbischen Alb, den sogenannten Grand Canyon von Baden-Württemberg. Das Gebiet befindet sich in den Landkreisen Rottweil, Sigmaringen, Tübingen, Tuttlingen und Zollernalbkreis. Die im Gebiet zu schützenden Vogelarten sind: Baumfalke, Berglaubsänger, Braunkehlchen, Eisvogel, Grauspecht, Halsbandschnäpper, Haselhuhn, Heidelerche, Hohltaube, Kornweihe, Mittelspecht, Neuntöter, Raubwürger, Raufußkauz, Rotmilan, Schwarzmilan, Schwarzspecht, Steinschmätzer, Uhu, Wachtel, Wachtelkönig, Wanderfalke, Wendehals und Wespenbussard. Dies ist eine sehr lange Liste, aber der Größe des Gebiets mit seiner Vielzahl an unterschiedlichen Lebensräumen durchaus angemessen.
Den Titel des kleinsten Vogelschutzgebiets teilen sich zwei Gebiete, die jeweils 3 Hektar groß sind. Dies sind "Tierstein mit Hangwald und Egerquelle" im Ostalbkreis und "Vogelinsel Max-Eyth-See" in der Landeshauptstadt Stuttgart. Im ersten Gebiet werden Wanderfalke und Uhu geschützt, im zweiten Gebiet der Nachtreiher.
Die EU-Vogelschutzrichtlinie wurde in der ersten Fassung bereits im Jahr 1979 erlassen. Knapp über 30 Jahre sind somit vergangen, bis die in der Richtlinie vorgegebene Unterschutzstellung einer ausreichend großen Zahl an Vogelschutzgebieten in Baden-Württemberg Realität geworden ist. Warum hat dies so lange gedauert? Es gibt sicher mehrere Gründe dafür. Der föderale Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit der Zuständigkeit der Bundesländer für die Ausweisung der Vogelschutzgebiete ist sicher eine der Ursachen. Eine weitere Ursache ist der lokale Widerstand, der sich vielerorts gegen die Auswesiung von Schutzgebieten aufgebaut hat und der dazu geführt hat, dass die EU mehrfach Nachmeldungen von Schutzgebieten verlangt hat. Es bleibt zu hoffen, dass die gemeldeten Gebiete dauerhaft bestehen bleiben und in der Zukunft so wenig wie möglich von irgendwelchen Infrastrukturvorhaben beeinträchtigt werden.
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